Einer der Gründe, warum mich Astrologie und vor allem Partnerschaftsastrologie so fasziniert ist, weil sie die unsichtbaren Fäden sichtbar macht, die uns mit anderen verbinden. Wir werden nicht wahllos in Verbindungen, Familien und Freundschaften geworfen; es gibt eine dahinterliegende Logik. Eine Aufgabe. Einen Entwurf. Zwei astrologische Einflüsse spielen in diesen Konstellationen eine herausragende Rolle: Chiron und Lilith. Sie stützen für mich die Idee, dass wir in den meisten Fällen durch Schmerz gebunden sind.

Doch was bedeuten Chiron und Lilith? Und inwiefern verweisen sie auf Vorleben? Für mich ist die evolutionäre Astrologie untrennbar mit Seelenaufgaben, Seelenwegen und Vorleben (oder neutraler: multidimensionalen Leben) verknüpft.

Chiron und Lilith sind beide keine Planeten.

Chiron ist ein Asteroid, der erst 1977 entdeckt wurde und eine recht erratische Bahn zwischen Saturn und Uranus beschreibt. Sein Name verweist auf die Gestalt der griechischen Mythologie, wo Chiron – halb Mensch, halb Pferd (ein Zentaur also) und übrigens ein Sohn Kronos‘ (= Saturn) – als begnadeter Erzieher und Heiler wirkt und seine Unsterblichkeit zugunsten Prometheus aufgibt.

Vergiftet

Vergiftet wurde Chiron von einem Pfeil, der im Blut der Hydra getränkt worden war, was ihm unsägliche Qualen bereitet.

Chiron symbolisiert damit gleich mehrere Dinge: zum einen ist er derjenige, der zwar anderen, aber nicht sich selbst helfen kann. Viele von uns machen diese Erfahrung, und es ist für mich kein Zufall, dass wir einer Zeit angehören, in der Chiron entdeckt, d.h. kollektiv zugänglich wurde.

Mir scheint aber auch Hydras Gift von Bedeutung zu sein. Wir sprechen heute oft von „toxisch“, wenn jemand „giftig“ reagiert. Hydra war ein vielköpfiges Ungeheuer, dem beständig neue wachsen, wenn sie einen Kopf verliert.

Den Kopf verlieren …

In der Wikipedia ist auch zu lesen, dass Hydra in „schwer zugänglichen Sümpfen“ aufwächst. Für mich symbolisiert sie damit unser schlammiges, undurchsichtiges Unbewusstes, den unverdaulichen Bodensatz unserer Existenz, in der sich kollektives Trauma und kollektive Verwundung zu einer giftigen Suppe vermischt hat. Hydra verweist sprachlich auch auf das Element Wasser; wir haben es also mit vergiftetem, fauligem Wasser (Lebenselixier) zu tun.

Chiron leidet genau unter diesem Gift – einem Gift, das sich selbst zu vermehren scheint, das eher mehr als weniger wird und das durch Hinterhältigkeit, Verschleierung und Destruktion gekennzeichnet ist.

Was ich auch erlebe, ist unser Wirken als Filter. Alles, was wir auflösen und heilen können, sickert nicht weiter zu unseren Kindern oder in unsere Umwelt. Aber wie bei einem natürlichen Filter braucht es mehrere Schichten, und bei jedem Filtergang wird das Wasser klarer.

Auch als „Seelenwunde“ beschrieben, repräsentiert Chiron für mich daher unsere kollektive Wunde, die sich jedoch in verschiedenen Generationen unterschiedlich darstellt. Ich bin mit Chiron im Widder geboren und erlebe immer wieder, dass den Menschen meiner Generation der Wille gebrochen wurde.

Lilith enthüllt

Die Bedeutung von Lilith (dem schwarzen Mond) hat sich mir erst viel später enthüllt. Doch als es geschah, war es ein Donnerschlag. Dem Buch „Das große Handbuch der Spirituellen Astrologie“ von Ulrich Diez verdanke ich die Einsicht, dass ich Lilith als Trauma zu lesen habe. Trauma auf weiblicher Seite. Als ich das begriff, öffneten sich Scheunentore im Verständnis mancher Charts und Dynamiken. Es machte so viel Sinn! Und wird es überraschen, dass meine Lilith direkt auf Pluto sitzt, dicht flankiert von meinem Glückspunkt?

Damit versinnbildlicht Lilith sowohl die verwundete als auch die verwundende Frau. Sie ist – solange unerkannt – Opfer und Täterin gleichermaßen. Und wie meine Reikilehrerin Rachael Setford-Berry so treffend beschrieb, finden wir in Lilith einen Ausdruck männlicher Toxizität. Eine verwundete Lilith neigt selbst zu Angriff, Machtmissbrauch, rasender Wut und Übergriffigkeit und zeigt damit Zeichen einer Identifikation mit dem Täter. Denn Lilith hat eine zutiefst sexuelle Komponente und ist für mich sowohl mit der kriegerischen Marsenergie als auch mit dem Skorpion verbunden. (Auch hier taucht erneut der giftige Stachel auf).

Als Gestalttherapeutin beschäftige ich mich seit vielen Jahren mit „toxischen“ Themen. Dabei habe ich festgestellt, dass sie sich in verschiedenen Schichten aufeinanderlegen. Je tiefer ich tauchte, desto sichtbarer wurden Scham und Trauma.

Scham, Schmerz, Trauma

Entsprechend wird es nicht überraschen, dass ich diesen Themen auch verstärkt astrologisch begegnet bin. Sie ziehen mich magisch an.

Dabei bemerkte ich, dass wir oft durch Schmerzaspekte (namentlich Chiron und Lilith) mit den uns nahestehenden Menschen verbunden sind. Das kann sich etwa in einem Chiron oder einer Lilith in Konjunktion zum Südknoten (= Vergangenheit, Vorleben) zeigen oder auch in einem prominenten T-Quadrat, wo entweder Chiron oder Lilith kräftig auf eine Opposition drücken und gewissermaßen den Schiedsrichter geben.

Während ungeheilte Chiron- oder Lilith-Aspekte ein solches T-Quadrat (oder auch andere Aspekte z.B. in Verbindung mit dem Mond) permanent befeuern – vor allem, wenn die Wunde von außen getriggert wird –, können sich beide in mächtige Heilaspekte verwandeln, in dem Maße, wie die betroffenen Personen ihren tiefen Schmerz bearbeiten.

Für mich ist klar, dass die meisten unserer nahen Verbindungen der Aufarbeitung dieser alten Wunden dienen – seien sie persönlich, etwa aus gemeinsamen Vorleben (was zum Konzept des Karmas passt) oder seien sie allgemeinerer Natur.

Unterstützung durch Pluto

Denn genauso häufig erlebe ich, dass auch Pluto mit seiner radikalen, transformativen Kraft  in solchen Partnerkonstellationen sehr prominent platziert ist. Es wäre spannend zu vergleichen, ob auch die Generationen vor uns (Eltern, Großeltern) bereits solch transformative Unterstützung hatten oder ob es ein Zeichen unserer Zeit ist, dass wir in unseren Familien, Ehen und Beziehungen so gründlich aufräumen.

Während Chirons Wunde sich irgendwo zwischen Ich und materieller Welt (Saturn) einerseits und Kollektiv und höheren Welten (Uranus) bewegt, geht es bei Lilith um Ausgestoßensein. Lilith ist für mich der klassische Schamaspekt: ungeliebt, in der Bibel sogar ignoriert, verschmäht und verachtet.

Chariklo

Und noch mehr „Heilerfiguren“ scheinen in unser Bewusstsein zu rücken. Für mich selbst noch weitgehend neu und unerforscht, aber doch in meinem Hinterkopf, ist etwa Chariklo, die Ehefrau Chirons. Ihr Entdeckungshoroskop zeigt zwei ineinander geschachtelte große Trigone, die sich zu einem mächtigen Hexagramm zusammensetzen.

In ihrem Chart sind einerseits Mars (Tatkraft), Mond (Gefühle) und Uranus (Befreiung)/Jupiter (Glück, Wachstum) und Merkur (Kommunikation) zu einem Talentedreieck verbunden. Und andererseits verbindet sie sich selbst harmonisch mit Pluto (Transformation) und Saturn (Struktur und Ordnung).

Chiron scheint also ihre weibliche Unterstützung gut gebrauchen zu können. Und auch wenn ich Chariklo noch nicht aktiv anwende, dürfen wir von ihr noch einiges erwarten. Wie in dem oben verlinkten Artikel zu lesen ist, besitzt Chariklo von allen Zentauren die stabilste Umlaufbahn und bewegt sich wie ihr Mann zwischen Uranus und Saturn.

Atemberaubende Zeiten mit atemberaubenden Entwicklungen. Zeiten, in der sich Erde und Himmel vereinen.

PS: Gerade, als ich nach Bildern zu diesem Artikel suchte, traf mich die Einsicht wie ein Donnerschlag. Die Schlange im Paradies ist Lilith. Und sie beinhaltet beides: die Weisheit und Macht der Kundalini, aber auch die Zwiegespaltenheit und Giftigkeit der Schlange. Wow. Bin völlig geflasht.